Die irrende Suche der Dystopisten nach dem rechten Weg zurück ins nachhaltige Paradies.
1. Ich bin (in der) Krise, also bin ich (normal)
Ich bin völlig orientierungslos … Jeder um mich buhlt um meine begeisterte Anhängerschaft für den Kampf gegen die dramatischen Bedrohungen der Menschheit: gegen Cyber-Terroristen und chinesische Touristen, gegen Rechtsradikale und afrikanische Migranten, gegen US-Trump und RUS-Putin, gegen Plastikpest und Finanzblasen, gegen Adipositas und Zuckervergiftung, gegen Wachstumssucht und Beschleunigungswahn, gegen Demokratiezerfall und Lügenpresse und vor allem gegen Klima-Erwärmung! Wie Odysseus angesichts der berauschenden Gesänge der Sirenen fühle ich mich hingezogen zu deren morbiden Heilsversprechen.
Denn sie alle haben recht, präsentieren mir ganze Bibliotheken an evidenten Studien und zwingenden Befunden, um mich der objektiven Kraft erdrückender Argumente zu unterwerfen. Eben noch betroffen und betrübt ob der verstörenden Offensichtlichkeit des nahenden Weltuntergangs, rütteln mich die zornigen Propheten brutal aus meinem Grübeln in den Strudel des irdischen Wahns zurück und fordern rasches Handeln. Hier und jetzt müssten wir umkehren, anstatt weiterhin großspurig zu palavern, zu zweifeln, zu verzögern und angstgelähmt abzuwarten, während wir ungebremst, ja beschleunigend auf den Untergang zurasen würden. Darum müssten wir schneller werden als das Nahen des Untergangs, gleichsam unsere beschleunigende Raserei ins Verderben rechts überholen und Beschleunigungswahn ad absurdum führen, am Schwanz packen und sofort! zum Stillstand bringen! Andernfalls drohte uns allen, ausnahmslos! – gebannt lausche ich der dramatisierenden Schweigepause – das Ende! Zur Vollbremsung gäbe es keine Alternative!
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