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Heft 33

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Ressort: Rezensionen

Peter Marius Huemer:
Die Bewässerung der Wüste

rezensiert von Heimo Mürzl

Einmal ein König sein

Peter Marius Huemers Debütroman „Die Bewässerung der Wüste“ kreist auf originelle Weise um die Seltsamkeiten eines Forscherlebens.

Der 1991 in Haag am Hausruck geborene, jetzt in Wien lebende Autor Peter Marius Huemer erzählt in seinem Debütroman von den Verwerfungen des Lebens und den Unwägbarkeiten und Irrwegen eines ungleichen Paares und seines Forscherlebens. Einen Mix aus Fakten und Fiktion herzustellen hat Huemer ebenso interessiert, wie eine Satire auf den Wissenschaftsbetrieb zu schreiben, der nicht nur die Grenzen zwischen Recherchiertem und Erfundenem verwischt, sondern auch den schönen Schein der Kunst- und Wissenschaftswelt durchdringt und offenlegt. Er tut das in einer problemlos lesbaren, zugleich aber erzähltechnisch und sprachlich anspruchsvollen Art und Weise, die dem Leser viele Fragen aber keine Antworten liefert. Dem herausfordernden Lustgewinn bei der Lektüre tut das jedoch keinen Abbruch. Was den Leser in diesem Roman erwartet, geht weit über eine boshaft-aufklärerische Milieustudie hinaus und verbindet Mythos und Realismus, Forschung und Politik, Beruf und Alltag, Liebe und Konkurrenzkampf, Sexualität und Intellektualität zu einer ebenso faszinierenden wie zeitweilig allzu bemühten literarischen Versuchsanordnung, die die Methode der literarischen Fragmentierung geradezu zelebriert, ohne das große Erzählerische Ganze aus den Augen zu verlieren. Immer wieder versucht Huemer in seinem Roman über das in einer Vielzahl von Variationen auftauchende Motiv des Kampfes – um Erfolg, Ruhm, Anerkennung, Macht, Deutungshoheit, Liebe und Glück – dem Sinn unserer Existenz nachzuspüren. Zugleich legt Huemer die zerrütteten Seelen- und Gemütszustände seiner zwei Romanprotagonisten frei – zwei Individuen, die über dem Abgrund baumeln und beide nach einer rettenden Hand greifen. Einerseits der dem großen wissenschaftlichen Erfolg hinterherhechelnde alternde Archäologe und Teilzeitalkoholiker Doktor Thiel, andererseits die zwischen Genialität und Verzweiflung, Autonomiewunsch und Fremdbestimmtheit, Forscherdrang und Sinnsuche oszillierende Studentin Persephone. Ein im Herzen Europas tobender Krieg lässt die zwei so ungleichen Kontrahenten aufeinandertreffen. Der Kampf ums Überleben in Kriegszeiten eint sie, während der erbittert geführte Kampf um wissenschaftlichen Ruhm und akademische Anerkennung sie trennt. Die beiden Romanprotagonisten wollen weder die Widernisse des Krieges einfach so hinnehmen, noch ihren Traum vom bedeutenden Forschungserfolg aufgeben. Als Leser verfolgt man das Romangeschehen mit zunehmendem Interesse und ist mitunter irritiert von der schizoiden Besessenheit der zwei Romanhelden, die zwischen einem Noch-nicht und Nicht-mehr fast zerrieben werden. „Die Bewässerung der Wüste“ ist ein trauriges, gleichzeitig aber auch (aber)witziges Buch, das einen irritierend-klaren und desillusionierten Blick auf die weniger schönen Seiten des Seins hinter dem schönen Schein der (Kunst- und Wissenschafts)Welt wirft. Während Peter Marius Huemer seiner Romanprotagonistin Persephone am Romanende so etwas wie eine Zukunft zugesteht, ist der alternde Archäologe Doktor Thiel nicht mehr zu retten. Nachdem er in der Sahara von Arbeitern die Wüste umgraben lässt, um doch noch seinen epochemachenden Fund zu realisieren, kniet er mit einer kümmerlichen Lampe ausgestattet in einem tiefen Loch und blickt in eine Kammer voller Knochen: „Die Kammer war erhellt und voller Knochen, und in ihrer Mitte war kein Sarkophag. Nur ein Thron und ein Podest (…) Der Sitz des Throns vor Thiel war leer bis auf eine schmale Inschrift, unlesbare Zeichen. Niemand saß da, kein Herrscher, kein Sklave, ein abgewandter Schatten (…) Der Doktor sank auf seinen Thron, schloss die Augen und erinnerte sich, einmal ein König gewesen zu sein.“ Peter Marius Huemers Romandebüt erfordert einen wachen Leser, der die immer wieder reißenden Plotfäden selbstständig zusammenknotet, die vielen Leerstellen füllt und unausgesprochene Zusammenhänge kombiniert und imaginiert. Auch wenn die „sprechenden“ Namen und der da und dort zu bemühte Verweis auf die Vergangenheit mitunter aufgesetzt und konstruiert wirken, weiß Peter Marius Huemer in seinem Debütroman mit Originalität und Kunstfertigkeit zu gefallen und weckt das Interesse für zukünftige Veröffentlichungen.

Rezensionen

Buch

Werner Fiedler:
Die Apokalypse des frommen Jakob

2024: edition kürbis, S. 243
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Zeuge gegen Jehova Werner Fiedler wollte ein Drehbuch über seine Kindheit in einer Sekte schreiben. Es ist ein dichtes Buch geworden Jakob wächst mit seiner Mutter Monika auf, die die

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Stefan Schmitzer:
loop garou – invokationen

2024: Ritter, S. 96
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Differenzwiederholungen vom Feinsten „loop garou – invokationen“ – diesen Titel trägt Stefan Schmitzers neuer Lyrikband – und jenes besondere Wortspiel zu Beginn, das einerseits auf den französischen Werwolf („loup garou“),

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Priya Guns:
Dein Taxi ist da

2023: Blumenbar, S. 329
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Rezension: Eine Taxifahrt durch Welten Wie der Titel bereits ankündigt, erwarten Sie hier bestimmt eine klassische Rezension – und ich verspreche, die kommt auch noch – aber einleitend muss ich

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Kulturinitiative Kürbis Wies (Hg.):
Der Mann, der sich weigert, die Badewanne zu verlassen

2022: Edition Kürbis, S.
rezensiert von Hermann Götz

Der Geist von Wolfgang Bauer … … zu Gast in der schreibkraft-Redaktion. Mit einem Open Call for Minidramen hat die Edition Kürbis einen Coup gelandet: Über 160 Einreichungen zelebrierten vor

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Günther Kaip:
Rückwärts schweigt die Nacht

2022: Klever, S. 140
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Vergessen, surreal erinnert Günther Kaip verdichtet Lyrik, Prosa und Zeichnungen zu einem traumhaften Ganzen. „Rückwärts schweigt die Nacht“ – der Titel verräumlicht gewissermaßen, was beim Vergessen mit der gelebten Zeit

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Sabine Haupt:
Die Zukunft der Toten

2022: die brotsuppe, S. 216
rezensiert von Hermann Götz

Dreizehn Sabine Haupts Erzählband „Die Zukunft der Toten“ macht Stippvisite auf der dunklen Seite des Mondes. „Jemand musste ihn verraten haben, oder verleumdet, vielleicht auch nur verwechselt.“ Kommt Ihnen bekannt

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Sarah Kuratle:
Greta und Jannis

2021: Otto Müller, S. 232
rezensiert von Hermann Götz

Vom Anfang oder Ende der Zeit Sarah Kuratles märchenhaft dichter Roman Greta und Jannis. Sarah Kuratle hat ein Märchen geschrieben. Oder nein: einen Roman. Einen ganz und gar märchenhaften. Die

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Markus Köhle:
Zurück in die Herkunft

2021: Sonderzahl, S. 208
rezensiert von Hermann Götz

Best of Poetry Markus Köhle wird in Zurück in die Herkunft zum Plagiatsjäger seiner selbst. Ok, über Slam-Poetry bedarf es hier keiner großen Worte. Dass Poesie als performative Kunst gelebt

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