Stadtspaziergänge
Marlene Faro begibt sich auf Lesereise durch Graz.
Kommt Graz, kommt Thomas Bernhard. All jenen Touristen, die gut beraten nach Graz kommen, scheint Thomas Bernhard allerdings vor allem eines zu sein, nämlich wurscht. Taucht natürlich die Frage auf, was damit gemeint ist. Nun, sobald die Sprache auf Graz kommt, wird Bernhards Satz aus seinem skandalisierten Stück Heldenplatz zitiert: „In Graz muss man nicht gewesen sein.“ Und genau diese Ansicht ist den Touristen wurscht, denn warum sonst sollten sie der Stadt im Jahr 2017 mit rund 1,1 Millionen Nächtigungen einen neuen Rekord beschert haben?
Graz hat sich in den letzten Jahren stark verjüngt. Die Stadt gilt vielen als trendig. Sie hat eine florierende Start-up-Szene, profitiert von einem so lebendigen wie überschaubaren Zentrum, und die Steiermark hat früh damit begonnen, ein gut aufgestelltes wirtschaftliches Förderprogramm zu entwickeln. Universitäten und Fachhochschulen tragen das ihre dazu bei, dass die Stadt in den letzten zehn bis 15 Jahren jünger geworden ist. Marlene Faro streicht nun in ihrem Graz-Band aus der Picus-Reihe Lesereise viele der klassischen Anlaufstellen für einen Graz-Aufenthalt heraus und ergänzt sie um neu hinzugekommene Hot Spots. Das ergibt ein hübsches Potpourri an Must-Sees klassischen Zuschnitts, Tipps, die auch das junge Graz abbilden, und traditionsreichen und in letzter Zeit wieder trendig gewordenen Geschäften wie Samen Köller. Selbst den kanonisierten Highlights ringt Faro unverkrampft nette Aspekte ab. Hier bewährt sich das Modell der Reihe, nicht ausgewiesene Experten als vielmehr bekennende Liebhaber der jeweiligen Städte die Bücher verfassen zu lassen.
Dass es gerade bei jenen, die die Stadt schon kennen, zu De´ja`-vus kommt, ist einkalkuliert und legitim, schließlich hat jede Stadt ihre zeitlosen Besonderheiten (und sie dürfen und sollen in Reiseführern nicht fehlen). Zugleich bietet Faro aber auch Informationen an, die selbst Graz-Kennern neu sind. Dem kommt auch das Anekdotenhafte entgegen, denn die Reihe lebt nicht von Hotellisten oder Restaurant-Adressen, sondern von der streng subjektiven Auswahl der Autoren. In diesem Sinne: Willkommen in Graz!