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Heft 34

Erschienen in Heft 34, geht's noch?
Ressort: Rezensionen

Bernhard Strobel:
Im Vorgarten der Palme

rezensiert von Clara Posch

Beziehungsgroteske im Vorstadtidyll

Sprachgewaltiges Romandebüt über einen Familienvater, der sich ins eheliche Unglück grübelt.

Vater, Mutter, Kind, ein schmuckes Häuschen, ein gepflegter Garten, zwei Autos vor dem Tor: Leidegger führt ein perfektes Leben in der Vorstadtidylle. Könnte zumindest der Nachbar meinen, mit dem Leidegger hie und da ein paar Worte über den Zaun wechselt. Doch mit der Idylle ist es nicht weit her, denn schon in den ersten Sätzen dieses Romans bahnt sich das Unheil an: Da kommt, eines Morgens nicht lange nach der Geburt seiner Tochter, die Nachricht, die „nicht hätte kommen dürfen“. „Herzlichen Glückwunsch, K.“, lautet sie und antizipiert damit bereits die kafkaeske Ausweglosigkeit, der sich der Protagonist in der Folge zunehmend gegenübersieht. „K.“, das ist die ehemalige Lebensgefährtin oder Geliebte Leideggers, so können wir annehmen, von der seine Ehefrau Martina am liebsten nichts wissen will. Doch mit dem Instinkt ebenjener nimmt sie gerade diesmal sein Handy und liest die Nachricht – um sich damit in ihrem Verdacht bestätigt zu fühlen, dass Leidegger noch Kontakt mit der Person hat, so mutmaßt jedenfalls Leidegger.

Weil es zwischen ihm und seiner Angetrauten offenbar schon länger kriselt oder überhaupt nie so richtig gepasst hat, gibt es jedoch keine klärende Beziehungsgroteske im Vorstadtidyll Sprachgewaltiges Romandebüt über einen Familienvater, der sich ins eheliche Unglück grübelt. Aussprache und kein reinigendes Gewitter. Nein, Dialoge zwischen den beiden gibt es so gut wie gar keine. Dafür dürfen wir aus dem Blickwinkel eines personalen Erzählers an den Anklageund Verteidigungsstrategien, (Pseudo-)Entschuldigungen, Täuschungsversuchen, Verdächtigungen und Verdrängungstaktiken teilhaben, die sich umso wortreicher und ausschweifender in Leideggers Kopf abspielen. Dieser Mann mit dem prophetischen Namen müht sich redlich ab, Martinas Gedanken und Handlungen in Hinblick auf seine nicht begangene Fehltat zu deuten, um in seinen eigenen Worten und Taten jene Unschuld zu beweisen, die eigentlich nicht bewiesen werden muss. Natürlichkeit und Normalität vorzutäuschen wird so zum höchsten Ziel, dessen Absurdität sich der Protagonist schlicht nicht bewusst ist:

Er fand, dass er sich ausreichend verteidigt hatte und kam zu dem Schluss, dass es das Beste wäre, von nun an eine nicht-gespielte Ahnungslosigkeit an den Tag zu legen. Von jetzt an würde Leidegger sich rechtmäßig darauf versteifen, dass ihn dies alles nichts anginge, dass er von nichts wisse und er derselbe war wie immer. (…) Es ist nichts vorgefallen!, rief er sich zu und fühlte schon, wie jede Beschwertheit, jede angespannte Künstlichkeit von ihm abfiel.

Und so denkt sich Leidegger immer tiefer in sein Unglück hinein, immer mehr schwinden die Aussichten auf Erfolg im Kampf gegen den Untergang dieser offensichtlich immer schon zum Untergang bestimmten Beziehung. Was hier aus der Feder des im burgenländischen Neusiedl lebenden Autors Bernhard Strobl seinen Weg aufs Papier gefunden hat, ist somit weniger Ehedrama als vielmehr eine ebenso herrlich skurrile wie betroffen machende Groteske über einen Familienvater, der in seiner Manie, die Utopie „glückliche Familie im Vorstadtidyll“ zu konstruieren, nah an den Grenzen zum Wahn wandelt. Es ist bemerkenswert, mit welcher (sprachlichen) Präzision Bernhard Strobl, der bereits einige Erzählbände veröffentlicht hat, in seinem Debütroman die Gedanken- und Gefühlswelt seines Protagonisten seziert. Und auch wenn der Plot vorhersehbar ist und keine Überraschungen bietet – mit der Auflösung der Symbolik der Leidegger so am Herzen liegenden Vorgartenpalme hält die Erzählung sogar noch einen befriedigenden Abschluss bereit. Große Literatur aus dem Burgenland!

 

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